Wege zu leistbarem Wohnen in Kufstein
Im Interview geben Bürgermeister Martin Krumschnabel (MK) und Baumeister Anton Rieder (AR) Einblicke in die innerstädtische Entwicklung der Stadt Kufstein und erläutern, warum die Quartiersentwicklung in der Hofgasse ein Pilotprojekt für leistbaren Wohnraum darstellt.
Gerade für Menschen aus der Region wird es zunehmend schwieriger, sich eigenen Wohnraum zu schaffen. Welche Wege beschreitet Kufstein, um leistbares Wohnen zu ermöglichen?
MK: Gemeinnützige Wohnbaugesellschaften haben sich in den letzten 30 Jahren stark auf den Mietsektor konzentriert. Bis zu den 90er-Jahren wurden Gebäude mit einem ausgeglichenen Anteil an Eigentums- und Mieteinheiten errichtet. Wir treten hier regelmäßig mit den Verantwortlichen in Interaktion und versuchen, wieder eine ausgewogene Balance herzustellen. Zudem animieren wir auch private Bauträger mit attraktiveren raumordnungsrechtlichen Verträgen zur Schaffung von leistbarem Wohnraum. Mit zusätzlichen Dichten verknüpfen wir hier den wirtschaftlichen Gesichtspunkt mit sozialen Aspekten.
AR: In den letzten Jahren haben wir uns aus zweierlei Gründen auf den frei finanzierten Wohnungsmarkt konzentriert: erstens aufgrund der hohen Marktnachfrage und zweitens wegen der schwierigen Randbedingungen rund um die Wohnbauförderung. Jetzt erkennt man allerdings eine Trendwende. Es werden einige Hebel in Bewegung gesetzt, um die Errichtung von kostengünstigeren Eigentumswohnungen für private Bauträger attraktiver zu gestalten. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf diese Weise eine gute soziale Durchmischung erzeugen. Zudem haben wir auch ein gutes Verhältnis mit gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften und bereits einige Projekte gemeinsam in die Tat umgesetzt. Die Richtung stimmt.
Welchen Stellenwert hat der Kauf einer Eigentumswohnung in der heutigen Zeit?
MK: Im Gegensatz zur Miete wird beim Kauf einer Eigentumswohnung letztlich Vermögen gebildet, Altersvorsorge betrieben und ein Mehrwert für künftige Generationen sichergestellt. In Tirol verfügt die Mehrheit der Bevölkerung über Eigentum, das macht uns krisenfest. In Wien ist es beispielsweise ganz anders, dort ist es politisch gewollt, dass die Menschen in Miete leben. Ich sehe das anders: Jeder sollte die Möglichkeit haben, sich Wohnraum im Eigentum zu schaffen. Die meisten Politiker*innen wohnen immerhin auch selbst in einem eigenen Haus oder in einer eigenen Wohnung – und nicht auf Miete.
AR: Wer heutzutage nichts erbt, hat fast keine Chance, sich ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen. Viele bedenken nicht, dass hier eine Kettenreaktion mit schwerwiegenden Folgen ausgelöst wird. Für junge Leute und hart arbeitende Menschen, wie etwa Facharbeiter*innen, ist die Schaffung von Wohnraum ein Ziel, das in weiter Ferne liegt. Wenn dieser Anreiz fehlt, fehlt auch der Anreiz zur beruflichen Weiterentwicklung. Der Besitz von Immobilien sollte nicht nur einkommensstarken Schichten vorbehalten sein. Kufstein ist hier mit neuen Bestimmungen auf dem richtigen Kurs und holt auch private Bauträger mit ins Boot. Wir müssen letztendlich alle einen Beitrag leisten und Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen – gemeinnützige und private Unternehmen.
Herr Rieder, welche Ursachen gibt es generell für die Verteuerungen von Wohnraum in Kufstein und welchen Beitrag können private Bauträger leisten, um die Kosten zu senken?
AR: Ursachen gibt es viele. Neben den Preisexplosionen bei Grundstücken spielen auch die vorschriftsmäßigen Anforderungen an die Bauwerke und die hohen Anforderungen der Nutzer*innen eine wesentliche Rolle. Diese Entwicklung sollten wir aus einem kritischen Blickwinkel betrachten und uns vor Augen führen, dass weniger manchmal mehr ist. Ein Beispiel sind etwa die Vorgaben rund um die Parkplätze, die zwar etwas gelockert wurden, aber durch die höheren Forderungen an Fahrradabstellplätze wieder zu keiner Senkung der Kosten führen. Aktuell sorgen natürlich auch die hohen Preise der Baustoffe zu einer deutlichen Erhöhung, allerdings haben wir darauf keinen direkten Einfluss. Dafür können wir in anderen Bereichen gegensteuern. Wenn die Baudichte stimmt, geht es in erster Linie um effiziente Bauweisen, eine optimale Planung und eine verbesserte Baustellenabwicklung.
Herr Bürgermeister, Welche langfristige Strategie gibt es für die innerstädtische Entwicklung Kufsteins?
MK: Nachverdichten ist das Gebot der Stunde. Hier sind wir in Kufstein auf einem guten Weg. In den letzten zehn Jahren sind 95 Prozent aller Bauten auf bestehenden Baugründen erfolgt. Wie Herr Rieder bereits LEBENSRAUM „STADT“ erwähnt hat, sind die gestiegenen Bedürfnisse maßgebliche Kostentreiber. Die gewünschte Wohnfläche pro Person hat sich verdoppelt, jeder möchte mehr Platz zum Leben. Wir versuchen der erhöhten Nachfrage mit der Aufstockung bestehender Gebäude nachzukommen. Solange wir diesen Konsensweg gehen können, möchten wir restriktive Verordnungen, wie etwa Vorbehaltsflächenwidmungen, vermeiden.
Welchen Stellenwert hat „Micro-Living“ im Rahmen dieses Vorhabens?
MK: Grundsätzlich ist die Wahl des Wohnraumes eine individuelle Entscheidung. Für mich persönlich ist Micro-Living – also das Wohnen auf kleinstem Raum – nur schwer nachvollziehbar. Ich komme aus einer Generation, in der man sich freut, wenn die Wohnungen nach und nach größer werden.
AR: Micro-Living ist eine interessante Ergänzung am Wohnungsmarkt. Es braucht für verschiedene Bedürfnisse unterschiedliche Angebote. Kleine Einheiten sind für junge Menschen, aber auch für Ein-Personen-Haushalte durchaus attraktiv und charmant. In Nordeuropa ist die Nachfrage nach kleinerem Wohnraum bereits jetzt sehr groß. Die Menschen nutzen stattdessen den öffentlichen Raum als Wohnzimmer.
Was macht die aktuelle Quartiersentwicklung der Kufsteiner Hofgasse zum Vorzeigeprojekt rund um leistbares Wohnen?
MK: Besonders ist die Zusammenarbeit mehrerer Eigentümer mit verschiedenen Interessen, die weitblickend genug waren, Grundstücksgrenzen aufzulösen und damit jedes Projekt für sich zu optimieren. Hier gab es keinen Neid, es wurde im Sinne der bestmöglichen Architektur und Nutzung agiert. Diese Vorgehensweise, die es in dieser Form in Kufstein noch nie gab, ist außerordentlich. Die Hofgasse wird in der nächsten Zeit deutlich aufgewertet.
Können Sie uns weitere Einblicke in das Vorhaben gewähren?
MK: Es entstehen dort drei Baukörper, die unterirdisch miteinander verbunden sind. In Richtung der Feldgasse realisiert die Bauherrengemeinschaft RIEDERBAU und Schwarzmayr ein Gebäude mit 31 Einheiten in den oberen Geschossen und Gewerbeflächen im Erdgeschoss. Daneben entsteht ein Projekt der Neuen Heimat auf dem Grundstück der Stadtwerke Kufstein. Dort sollen unter anderem Büro- und Schulungsräume für Sozialvereine realisiert werden. Und last but not least wird ein weiteres Projekt eines privaten Eigentümers umgesetzt. Alle Beteiligten haben zur gleichen Zeit Bauabsichten gehegt. Im Sinne der innerstädtischen Entwicklung äußerten wir den Wunsch, diese drei Vorhaben im Bebauungsplan zusammenzufassen und mit einer ansprechenden Gesamtkonzeption einen Mehrwert für die unterschiedlichsten Interessen herzustellen.
AR: Für uns als privater Bauträger war dieses Projekt durchaus eine große Herausforderung. Die notwendigen Grundstückstausche, Nutzungsrechte und Flächenabtretungen zwischen den Parteien stellten sich vor allem im rechtlichen Bereich als komplexe Angelegenheiten dar. Grundsätzlich wäre es für uns der einfachere Weg gewesen, innerhalb unserer Grundstücksgrenzen ein Projekt zu entwickeln. Aber die zusätzlichen Meter, die wir hier gegangen sind, lohnen sich dennoch, denn wir konnten ein nachhaltiges und gutes Ergebnis für die Stadt erzielen. Ich bin selbst Kufsteiner und sehe solche Vorhaben auch aus der Brille des Bürgers. Die Quartiersentwicklung Hofgasse ist ein Vorzeigeprojekt – auch für künftige innerstädtische Entwicklungen. Wir bringen hier unterschiedliche Interessen auf eine Spur. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten und für Kufstein.